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Menschen & Zitate

Die beste der möglichen Welten!

Von Peter C. Aichelburg

 

 

Welche Stellung kommt uns Menschen im Kosmos zu. Dies wurde und wird immer wieder neu gestellt. Stand in der Antike die Erde und damit der Mensch im Zentrum des Kosmos, so wurde er beginnend mit Kopernikus schrittweise daraus verdrängt.

 

Die Erde ist nur einer von mehreren Planeten, die um die Sonne kreisen. Die Sonne ist nur einer von Hunderten Milliarden von Sternen, die sich zur Milchstraße zusammenballen. Diese ist wieder nur eine von vielen Milliarden Galaxien, die mehr oder minder lose Gruppen (Galaxienhaufen) bilden. Mit der Andromedagalaxie und 34 kleineren Galaxien bildet die Milchstraße die "lokale Gruppe" - am Rand des Virgo-Haufens, einer Ansammlung von Hunderten Galaxien. Über Distanzen von etwa 500 Millionen Lichtjahren findet man noch größere, wabenartige Strukturen.

 

Warum ist das All so groß?

Die Verdrängung des Menschen aus dem Zentrum fand ihren Höhepunkt im "kosmologischen Prinzip": Die Erde hat keine ausgezeichnete Stellung im Universum, anders gesagt: Der Kosmos hat gar kein Zentrum. Überall sehen wir etwa die gleiche Struktur wie in unserer nächsten Umgebung. Der Mensch scheint verloren in den Tiefen eines unvorstellbar großen Kosmos, ähnlich einem Sandkorn am Meeresstrand.

 

Muß das so sein?

Was haben die riesigen Ausdehnungen des heute sichtbaren Kosmos und der scheinbare Überfluß an Sternen mit unserer Existenz zu tun? Könnte der Mensch nicht in einem viel bescheideneren Kosmos existieren?

 

Leibniz sprach von der besten der möglichen Welten. Nimmt man diese Aussage ernst, so heißt das, daß andere Welten, die einen Vergleich zulassen, zumindest denkbar sind. Die Kosmologie stellt sich der Aufgabe, nach Antworten auf Fragen der Entstehung und Entwicklung der großräumigen Strukturen, ja des Kosmos als Ganzem, zu suchen. Die wohl wichtigste Erkenntnis der modernen Kosmologie: Das Universum, so wie es sich uns heute zeigt, war nicht immer und wird auch nicht immer sein.

 

Freilich sind die Zeiträume, in denen sich Veränderungen abspielen, unvorstellbar groß: Unsere Sonne ist etwa in der Mitte ihres Lebens. Sie entstand vor zirka 4,5 Milliarden Jahren aus Gaswolken, angereichert mit schweren Elementen, die von Explosionen früherer Sterngenerationen stammen, und wird, falls nichts Außergewöhnliches eintritt, noch ebensolang scheinen.

Aber nicht nur die Sterne, von denen unsere Sonne ein typischer Vertreter ist, durchlaufen einen Zyklus vom Entstehen zum Vergehen, sondern auch das Universum selbst unterliegt einer Entwicklung, von der "Geburt" bis zu einer Endphase, von der wir heute noch nicht wissen, wie sie sein wird.

 

Geburt aus einem Urknall:

Diese Geburt aus einem Urknall liegt etwa 14 Milliarden Jahre zurück. Verglichen damit ist ein Menschenleben, ja sogar die Zeit, seit der menschenähnliche Kreaturen die Erde bevölkern, verschwindend klein. Wieder stellt sich die Frage: Ist es Zufall, daß das Universum so alt ist, wie es ist? Wieso ist die Lebensdauer der Sonne von der Größenordnung des jetzigen Alters des Universums?

 

Wissenschaftliche Antworten kann man nur im Rahmen von Theorien suchen, die eine Überprüfung durch Beobachtung zulassen. Was aber ist eine Theorie des Kosmos? Selbst manche Physiker sehen die Kosmologie nicht als Naturwissenschaft im strengen Sinn, sondern rücken sie in die Nähe von Metaphysik. Ich möchte dem heftig widersprechen und sogar behaupten: Kosmologie ist, richtig verstanden, angewandte Physik. Gewiß, sie nimmt eine Sonderstellung ein, weil das zu untersuchende Objekt nur in einem einzigen Exemplar vorliegt. Um Phänomene im Kosmos zu erklären, sollten daher nur Theorien verwendet werden, die sich bereits anderwärtig bewährt haben. - Dem Bereich der Vermutungen sind Erklärungen zuzuordnen, die auf bisher nicht überprüften Annahmen beruhen. Ein Beispiel ist die Theorie der kosmischen Inflation: Sie postuliert die Existenz eines Feldes, das sich aber bisher der Beobachtung entzogen hat.


  Noch spekulativer sind die Versuche, Quantentheorie und Gravitation zu vereinen und die Entstehung des Universums aus einer Quantenfluktuation des Vakuums zu erklären. Obwohl solche Ideen sehr fruchtbar für die Entwicklung der Wissenschaft sein können, ist ihre Aussagekraft mit großer Vorsicht zu werten. Um nicht mißverstanden zu werden: Es scheint mir legitim, die mathematisch anspruchsvolle Stringtheorie ernsthaft zu verfolgen, auch wenn von ihr bisher vornehmlich Impulse für die Mathematik ausgegangen sind. Fortschritt, so Popper, entsteht aus Vermutungen und Widerlegungen.

 

Die Erkenntnis, daß das Universum nicht statisch sein kann, hätte nicht der von Einstein geschaffenen Allgemeinen Relativitätstheorie bedurft. Sie folgt schon aus Newtons Gravitationstheorie. Doch es war der russische Mathematiker Alexander Friedmann, der 1922 als erster diese Konsequenz für den Kosmos aus den Einsteinschen Gleichungen herleitete. Einstein hatte 1917 noch versucht, durch Einführen der "kosmologischen Konstanten" in seine Gleichungen einen statischen Kosmos zu erzwingen - so verwurzelt war die Ansicht, das Universum müßte unveränderlich sein. Erst die Beobachtungen Edwin Hubbles (1929), daß sich die Galaxien voneinander weg bewegen, führte zum Bild eines expandierenden Universums.

 

Die Einsteinsche Theorie läßt unterschiedliche Lösungen für den Kosmos zu, selbst unter Berücksichtigung des kosmologischen Prinzips. Wieso hat dann der Kosmos gerade die Eigenschaften, die wir beobachten? Eine akzeptable Antwort wäre, daß sich der Kosmos immer zu unserem heutigen hin entwickelt haben muß, unabhängig davon, wie der Anfangszustand war. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil: Der Urknall scheint ganz spezielle Eigenschaften gehabt zu haben. Eine davon ist die Expansionsgeschwindigkeit des in ihm entstandenen Universums, die wiederum von der Materiedichte abhängig ist. Bei sehr hoher Dichte wäre das Universum unter der eigenen Gravitationskraft nach kurzer Zeit wieder kollabiert. Bei geringer Dichte wäre die Geschwindigkeit so groß gewesen, daß sich bis heute keine Galaxien hätten bilden können. Nur ein Universum nahe an der kritischen Dichte entwickelt sich so, wie wir es beobachten.

 

Um diese "Feinabstimmung" in der Dichte zu erklären, wurde die Theorie der Inflation erdacht: Kurz nach dem Urknall durchläuft das Universum eine Phase sehr rascher Expansion, die es automatisch nahe an die kritische Dichte bringt. Einiges spricht für diese rasche Aufblähung, allerdings braucht man sehr spezielle Annahmen über den Mechanismus, der sie ausgelöst hat. Aber selbst bei der "chaotischen Inflation", die auf einige der Bedingungen verzichtet, wäre unser Kosmos ein sehr spezieller unter vielen möglichen.

 

In letzter Zeit ist ein weiterer Aspekt hinzugekommen. Die im Universum enthaltene Materie sollte dazu führen, daß die Geschwindigkeit der Expansion sich laufend verringert. Jüngste Beobachtungen deuten aber darauf hin, daß vor etwa sechs Milliarden Jahren die Expansionsgeschwindigkeit etwas geringer als heute war.

 

Nicht ohne Kohlenstoff:

Dieser Effekt ist analog zur Wirkung der von Einstein zunächst postulierten und dann verworfenen kosmologischen Konstanten. Was die tatsächliche Ursache für diese Beschleunigung sein kann, wird derzeit heftig diskutiert. Wichtig aber ist in diesem Zusammenhang, daß wir uns in einer Zeit befinden, in der die Beschleunigung gegenüber der Anziehung die Überhand gewinnt. Ist dies ein Zufall?

 

Die Frage nach dem Alter des Kosmos beantwortete Robert Dicke 1957 wenigstens teilweise: Voraussetzung für Leben ist die Existenz von Kohlenstoff. Dieser kann aber nur im Inneren von Sternen durch Kernfusion entstanden sein. Somit ist die Entstehung von Leben erst nach dem Explodieren der ersten Sterne, also erst ab der zweiten Sterngeneration möglich. Der Urknall muß also mindestens so lange zurückliegen.

 

Aber warum ist der Kosmos nicht älter? Hier überzeugt Dickes Antwort weniger: Die Entstehung neuer Sterngenerationen nimmt mit der Zeit ab, und damit auch die Dichte möglicher Plätze für Leben. Bereits 1954 wies Fred Hoyle darauf hin, daß die Verschmelzung von Helium über Beryllium zu Kohlenstoff nur durch ein außerordentliches Zusammenspiel der Kernkräfte möglich ist. Eine nur geringfügige Verschiebung der Energieniveaus der Atomkerne hätte die Entstehung entweder überhaupt verhindert oder aber den Kohlenstoff sofort weiter zu Sauerstoff verschmolzen.

Solche "Feinabstimmungen", die bei der theoretischen Beschreibung erforderlich sind, zeigen, daß der Kosmos besondere Qualitäten aufweist. Diese lassen sich in drei Gruppen zusammenfassen: 1) spezielle Anfangsbedingungen; 2) ein äußerst beschränkter Spielraum für die Werte der universellen Konstanten, die in den physikalischen Gesetzen auftreten; 3) eine sehr spezielle Struktur dieser Gesetze.

 

Warum drei Dimensionen?

So kann man fragen: Was wäre, wenn unsere Welt nicht drei Raumdimensionen hätte? Schon Kant wies auf den Zusammenhang zwischen Gravitation und der Anzahl der Dimensionen hin. Mit den Newtonschen Gleichungen gibt es nur in drei Dimensionen stabile Planetenbahnen. Das gilt auch in der Relativitätstheorie.

 

Läßt sich aus all diesen Feinabstimmungen ableiten, daß sich dahinter ein Schöpfungswille manifestiert, wie es etwa Kepler in seinen "Harmonices Mundi" bei der Beschreibung der Planetenbahnen tat, als er von einer gottgewollten Harmonie sprach? Etliche Kosmologen bemühen lieber das von Brandon Carter 1974 erstmals in diesem Zusammenhang formulierte anthropische Prinzip, um die Feinabstimmungen zu erklären: Nur ein "fein abgestimmter" Kosmos bietet die notwendige Voraussetzung für Leben und damit für die Existenz von Beobachtern.

Das anthropische Prinzip erklärt nicht den Urknall und auch nicht, wieso Leben entstanden ist, sondern zeigt nur Bedingungen auf, unter denen die Evolution zum Menschen möglich ist. Es stellt den Menschen zwar nicht wieder ins Zentrum, wohl aber in Relation zum Universum. Für die Entstehung von Leben bedarf es anscheinend nicht nur besonderer Bedingungen in unserer unmittelbaren Umwelt, sondern im gesamten Kosmos. Die erwähnte scheinbare Redundanz an Sternen, das Alter und die damit verknüpfte fast unermeßliche Größe des sichtbaren Kosmos sind Voraussetzung für unsere Existenz.

 

Leben wir also in der besten der möglichen Welten? Die kosmologische Perspektive deutet eher darauf hin, daß es die einzig mögliche ist.

 

Univ.-Prof. Dr. Peter Christian Aichelburg lehrt und forscht am Institut für theoretische Physik der Universität Wien.

 

.... "Die zu erwartende Vergänglichkeit sollten wir jetzt mit allen unseren positiven Sinnen erleben, geniessen, inhalieren ... und dabei ganz Mensch sein!"

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